Neulich im Radio:
Nach vielen, vielen, vielen Jahren wurde für Jack X. (Name frei erfunden) endlich ein lang ersehnter Traum war: Er wurde aus der Todeszelle entlassen, in der er die letzten etwa 15 Jahre seines Lebens völlig unschuldig verbracht hatte! Was für eine Erlösung! Was für eine Freude! Was für ein Tag! Einfach wunderbar! Er hörte gar nicht auf zu erzählen, was er nun alles machen wolle! Erst einmal ne Pizza essen und dann vielleicht ins Kino und Freunde besuchen und und und...
Meine Gedanken zu der ganzen Geschichte sahen in etwa so aus:
Warum gibt es denn immer noch die Todesstrafe! Unglaublich! Und die Todeszelle erst! Abartig! Was für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Was muß sich da für ein Haß aufstauen, dachte ich mir! Du weißt, Du bist unschuldig, kannst es aber nicht beweisen und wirst einfach so weggesperrt! Wahnsinn! Für 15 Jahre! Einzelhaft! Die Hölle! Kann man da überhaupt noch Vertrauen in das Rechtssystem seines Staates haben? Ich hätte es verloren.
Aber dann dieser Augenblick, wo sich die Unschuld bestätigt! Was muß das für ein Moment sein! Ich habe mich so mit dem Mann gefreut! Was da für eine Freude nur über's Radio allein schon rüberkam! Gewaltig.
Dann war der Bericht vorüber. Nein, fast vorüber. Der Mann kam nur unter einer Bedingung frei trotz seiner Unschuld:
Er mußte sich verpflichten, die US-Justiz nicht zu verklagen!
Seit dem Moment war es aus mit meiner Freude! Ich lag im Bett wie gelähmt! Das ist nicht das, was ich mir unter Gerechtigkeit vorstellen. Nein, ganz gewiß nicht!
Ingo Schmidt 2002